Zur heute in Kapstadt beginnenden Weltkonferenz von ILGA World (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) erklärt Michael Kauch, Bundesvorsitzender der Liberalen Schwulen, Lesben, Bi, Trans und Queer (LiSL):
"Die Menschenrechtslage für LSBTIQ verschärft sich gerade massiv, nicht zuletzt in Teilen Afrikas und der arabischen Welt. Statt darauf den Fokus zu legen, kümmert sich die Mehrheit im Vorstand von ILGA World vorrangig um den Nahost-Konflikt und bezieht Position gegen Israel und die israelische Community. Als ILGA-Mitglied sind wir in großer Sorge, dass ILGA World aus allgemeinpolitischen Motiven in Kauf nimmt, die LSBTIQ-Community weltweit zu spalten.
LiSL kritisiert nicht, dass man sich gegen die Bewerbung der World Conference in Tel Aviv ausspricht. Dafür sprechen durchaus sachliche Gründe wie die Sicherheitslage und die Einreisemodalitäten. Was aus unserer Sicht nicht akzeptabel ist, ist die Entscheidung des Vorstandes, bereits die Abstimmung über den Vorschlag bei der Weltkonferenz zu verhindern. Wir distanzieren uns zudem ausdrücklich vom unzutreffenden Narrativ von Kolonialismus und Apartheid, den sich der ILGA-Vorstand gegenüber Israel implizit zu eigen macht.
Mit der erklärten Unvereinbarkeit der Bewerbung mit den intersektionalen Zielen von ILGA World wird die gesamte israelische LSBTIQ-Community in Kollektivhaftung für die Politik Netanajhus genommen, ohne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, dass genau diese Community über Monate durch den Raketenhagel von Hamas und Hisbollah gefährdet wurde. Statt dessen verweist der Vorstand von ILGA World pauschal auf die Solidarität der südafrikanischen Gastgeber mit dem palästinensischen Volk, auf die man Rücksicht nehme. Die Verfolgung von LSBTIQ in den palästinensischen Gebieten bleibt unerwähnt. Ein solch falsch verstandenes Verständnis von Intersektionalität schwächt den Einsatz für die globalen Menschenrechte von LSBTIQ.
Weiter sorgen wir uns, ob ILGA World in die Nähe der BDS-Bewegung gegen Israel gerät ("Boycott, Divestment and Sanctions"). Auf der Website von ILGA World wird ausführlich das Ergebnis einer "due diligence" dargestellt, dass die Gesellschaft, der das Kongresszentrum in Kapstadt gehört, keine kommerziellen Verbindungen zu Israel hat (https://worldconference.ilga.org/practical-information/ , zweite FAQ zur Conference Venue). Unabhängig davon, ob diese Frage aufgeworfen wurde, weil der CEO einen jüdischen Familiennamen hat, kann man die Hervorhebung dieser Tatsache nur im Kontext der BDS-Bewegung erklären. Die Formulierungen von ILGA World könnten im Umkehrschluss bedeuten, dass man das Kongresszentrum bei Geschäftsbeziehungen zu Israel boykottiert hätte. Dies ist zu untersuchen. Der Deutsche Bundestag hatte bereits 2019 mit breiter Mehrheit die BDS-Bewegung im Kontext von Antisemitismus verurteilt.
Zur Frage der Suspendierung der israelischen Mitgliedsorganisation Aguda möchten wir vom Vorstand von ILGA World wissen, was genau die Vorwürfe gegen Aguda sind, ob man diese selbst geprüft hat oder ob sie auf Hörensagen beruhen. Zudem ist die Begründung zu hinterfragen, man müsse eine Organisation erst einmal suspendieren, um Vorwürfe überhaupt zu prüfen. Diese Fragen werden wir nun gemeinsam mit anderen deutschen ILGA-Mitgliedern in einem Gespräch mit dem Vorstand von ILGA World zu klären versuchen."
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